RITA PÓCZOS, Sprachlicher Kontakt und Wechselwirkung zwischen den Ortsnamensystemen. 2010.

Der Band stellt die Ergebnisse einer namenstaxonomischen Analyse dar, die mit dem Studium der Beziehung zwischen einem heutigen mehrsprachigen Namenbestand und den Ortsnamenbenutzern neue Aspekte zu den ethnischen Folgerungen, die aus dem Namenschatz des Altertums abgezogen werden können, zu geben versucht. Das Korpus der Untersuchung ist ein heutiges Ortsnamensystem, nämlich der zweisprachige Namenbestand vom Landkreis Sásd im Lexikon Baranya megye földrajzi nevei [Die geographischen Namen von dem Komitat Baranya] (1. Pécs, 1982), welcher Namenbestand 13,000 Daten enthält. Das primäre Ziel der Studie ist die Aufdeckung der systematischen Zusammenhänge in den ungarisch-deutschen zweisprachigen Regionen. Das im Laufe der Untersuchungen benutzte Analysemuster (Die erweiterte Version der Ortsnamenabschreibungen von István Hoffmann; Helynevek nyelvi elemzése [Sprachliche Analyse der Ortsnamen]. Debrecen, 1993) kann aber auch als Anhaltspunkt in der Aufdeckung von allgemeingültigen Feststellungen und Tendenzen, also im Allgemeinen in der Beschreibung von Verhältnissen in zweisprachigen Namenbeständen, und in der volksgeschichtlichen Verwendung von weniger gut datierbarem Namenschatz aus älteren Zeiten fungieren.

Die wichtigsten Erfahrungen der Untersuchung des Namenbestandes sind die Folgenden. 1. Der Stellenwert der Ethnie-Markierungen von den verschiedenen Denotationstypen kann unterschiedlich sein: Die Namen von Siedlungen sind am allerwenigsten für die völkischen Schlussfolgerungen geeignet. 2. Die allochthonen Ortsnamen weisen direkt auf die Ethnie auch im Fall von Mikronamen nicht hin: Wenn wir in der Untersuchung der Bevölkerungsgeschichte ausschließlich aus der Herkunft der Namen auf die ethnische Zugehörigkeit der Bevölkerung folgern, kann das leicht irreführend sein. In dem Landkreis Sásd wird zum Beispiel das ungarische und deutsche Dasein eindeutig durch den Namenbestand reflektiert, aber die Spuren des ehemaligen Slawentums sind im Namenschatz auch auffindbar, obwohl die Slawen in dieser Zeit — als die Daten aufgenommen wurden — nur in einer Siedlung gelebt haben. Dieses Phänomen weist auf die Gefahren der Gleichstellung von Namensgeber und Namensbenutzer hin. 3. Die Analyse des heutigen Namensystems weist darauf hin, dass auch der Anteil der Übernahmen durch die gesellschaftlichen Prestigeverhältnisse in hohem Maße beeinflusst werden kann: Die Gemeinschaft, die sozial höher steht, reitet in Ortsnamengebung vor, und die Namenbenutzer mit niedrigerem Prestige neigen zur Übernahme von schon existierenden Ortsnamen. 4. Die Ortsnamensysteme der Sprachen in zweisprachigen Landschaften sind nicht unabhängig voneinander, sowohl die Eigenschaften des Denotats als auch dessen in einer anderen Sprache bereits existierende Name können die Entstehung neuer Benennungen motivieren.

Das letzte Kapitel des Bandes verwendet die Erfahrungen — die aus der Analyse des heutigen Namenbestandes stammen — zu gesellschaftshistorischer und sprachlicher Analyse eines früheren altungarischen Namenbestands.